Hussiten

Die hussitische Bewegung entstand als Folge der tiefen Krise der spätmittelalterlichen Gesellschaft.

In der zweiten Hälfte des 14. Jhs. befand sich die Welt in Aufruhr. Instabile politische Verhältnisse, Pestwellen und stagnierende Wirtschaft führten zu tiefen Spannungen in der spätmittelalterlichen Gesellschaft. Die Ursachen für die Krise sahen Denker und Öffentlichkeit im Nichteinhalten der verbindlichen Regeln des christlichen Lebens. Die Hauptschuld erkannten sie der damaligen Kirche zu, die von zahlreichen Missständen und starker Verweltlichung geprägt war. Die Lösung der Krise wurde in der Rückkehr der Kirche zu ihrer ursprünglichen Mission gesehen. Danach sollte es auch zur Erneuerung der Ordnung in der ganzen Gesellschaft kommen.

Diese Forderungen fielen auf günstigen Nährboden, besonders in Böhmen und zum Teil in Mähren. Hier entfaltete sich im frühen 15. Jahrhundert eine einflußreiche religiöse reformatorische Bewegung, die später in die hussitische Revolution überging. Ihren Namen bekam sie vom Theologen und Hauptsprecher der böhmischen Reformbewegung, vom Magister der Prager Universität Jan Hus (um 1370-6.7.1415).

Die Verurteilung von Hus als Ketzer und seine Verbrennung war für die reformatorisch gesinnten Böhmen der nächste Beweis der Verdorbenheit der zeitgenössischen Kirche. Trotz der Reformbemühungen des Konstanzer Konzils (1414-1418) begannen die Hussiten, Hus, der mit Tapferkeit und Konsequenz seine Ansichten vertrat, als Märtyrer zu verehren. In Böhmen wuchs die Unruhe. Die Zahl der Anhänger der Kirchenreform stieg schnell. Die Bewegung breitete sich in Städten und auf dem Land aus. Manche Zeitgenossen waren von dem nahen Ende der verdorbenen Welt überzeugt und suchten in den "auserwählten Städten" die Erlösung.

In der Folge kam es zum Aufstand, den der sog. erste Prager Fenstersturz 1419 einleitete. Der Aufstand mündete schließlich in die andauernden verheerenden Hussitenkriege (1419-1436). In denen versuchten die Hussiten, politisch und militärisch Kirchenreformen durchzusetzen und forderten dabei auch soziale, wirtschaftliche und nationale Veränderungen. 

Die Forderungen der Revolution wurden von den Aufständischen nicht in gleicher Weise durchgesetzt. In der Bewegung profilierten sich einige Strömungen, die als gemäßigte oder radikale Städte- und Heeresbünde um die entscheidende Machtstellung in Böhmen rivalisierten.

In der ersten Phase der Revolution einigten sich die Hussiten und deklarierten 1420 in den 4 Prager  Artikeln ihre Forderungen zur Kirchenreform. Es ging um freie Predigt des Wortes Gottes, das Abendmahl in beiderlei Gestalt, eine arme Kirche ohne Anspruch an die weltliche Macht und die gleiche Bestrafung der öffentlichen Sünden. Die radikalen Strömungen gingen in den Forderungen weiter, vertraten auch sozialrevolutionäre Ziele. Sie verkündeten die Errichtung des Gottesreiches durch das Schwert.

Die Verbreitung des Hussitismus und seine Propaganda sowie seine Anziehungskraft begannen, die Stellung der katholischen Kirche zu gefährden. Um das "ketzerische Böhmen" zu bekämpfen, wurden fünf große Kreuzzüge ausgerufen. Obwohl die Hussiten gegen größere und gut ausgerüstete Truppen kämpfen mussten, gelang es den Kreuzheeren nicht, militärische Erfolge zu erreichen.

Mitte der 20er Jahre festigte sich die Hegemonie der radikalen Feldheere, und die zu professionellen Kämpfern gewordenen Hussiten änderten ihre Strategie. Von reinen Verteidigungsschlachten gingen sie mit ihren "Herrlichen Reisen"(Kriegszüge) in die Offensive. Sie verfolgten dabei mehrere Ziele. Es wurden die hussitischen Ideale propagiert, potentielle Verbündete gegen das Papsttum gesucht und es wurde für die Anerkennung der Bewegung gekämpft. Aus dem durch viele Kriegsjahre verarmten Böhmen wurde der Kampf in die Nachbarländer getragen, der Gegner wurde auf seinem eigenen Gebiet angegriffen. Die "Reisen" hatten auch wirtschaftliche Gründe - man wollte die 1417 gegen Böhmen verhängte wirtschaftliche Blockade durchbrechen. Aus den hussitischen Kriegszügen wurden zum Teil Raubzüge, in denen sich die Heere reichlich mit Beute versorgten.

Die Erfolgslosigkeit, die Hussiten militärisch zu besiegen, hatte eine Wendung in der Strategie der Kirche erzwungen. Sie und der römische König Sigismund setzten auf Diplomatie. Auf dem Basler Konzil (1431-1449) wurden den eingeladenen hussitischen Repräsentanten Zugeständnisse mit den sog. Kompaktaten versprochen. Damit gelang es, die hussitische Bewegung endgültig zu spalten. In der Bruderschlacht von Lipany 1434 besiegten die Heere der Gemäßigten und Katholiken die radikalen Hussiten. Mit dem Vergleich in Basel und in Iglau (Jihlava, CZ) im Jahr 1436 endeten die Hussitenkriege. Trotz der Kompromisse mündete die Revolution in das hussitische Königtum des einheimischen utraquistischen Königs Georg von Podiebrad (1458-1471).

1485 schlossen daraufhin Katholiken und Hussiten in Kuttenberg (Kutná Hora) Frieden, durch welchen die Kompaktaten zum Landesgesetz erhoben und damit der Status quo bei den politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften der Revolution anerkannt wurden. Die katholische Kirche musste sich zum erstenmal mit zwei Glaubensformen in einem Land, der katholischen und der utraquistischen, abfinden. Der Hussitismus war ein wichtiger Schritt zur europäischen Reformation und öffnete den Weg zur Freiheit in der Wahl der kirchlichen Konfession.

Libuse Rösch - Theo Männer - Bernd Eccarius 

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